Kristin Wenzels raumgreifende Installation ist eine temporäre autonome Zone. Sie fügt sich mit scheinbarer Leichtigkeit in die urbane Architektur und okkupiert gleichsam von ihrem Standort aus den öffentlichen Raum.
Dieses Spannungsfeld ist allein durch äußere Anschauung erfahrbar.
Es dominieren Grautöne und die aus der Kindheit vertraute Formsteinmauerarchitektur.
Gepaart mit dem kalten Neonlicht, welches aus dem Fenster scheint, wird ein Erinnerungsraum geöffnet, der dem Betrachter ein provokantes Lob des Urbanismus im Sinne von S.Y.P.H.s Zurück zum Beton ins Gedächtnis ruft. Irritiert wird dieses homogene Bild durch Farbinterventionen in Gestalt der an das Haus gelehnten Palme und des den Titel der Arbeit in die Umgebung strahlenden Leuchtkastens. Elemente, die neben dem Erinnerungsraum auch Sehnsuchtsorte in die Arbeit integrieren. Insbesondere der Leuchtkasten fungiert als eine Art visuelle Sirene.
Er lässt uns fast willenlos – gleich Motten dem Licht – dem mit schwelgerischer Interjektion aufgerufenen Sehnsuchtsort zustreben. Dass ein solches Versprechen, ein solcher Nicht-Ort (oder nennen wir es Utopie) immer auch gefährdet ist, sieht man spätestens wenn man dicht herantritt und die Architektur des Raumes uns den Blick auf die Phantasmagorie versperrt.
Ein Perspektivwechsel, der den Betrachter, trotz versuchter Annäherung, weiter weg führt und stattdessen den Blick ins Innere öffnet. Schauen wir hinein, sehen wir den „lazy dog“.
Das Bild der Künstlerin als glücklicher Streuner. I wanna be your dog. Die Skulptur versöhnt melancholisches Erinnerungsbild mit der Sehnsucht nach zwangloser Zukunft. Trotz der ausgearbeiteten Form verweisen die bewusst ausgestellten Gussgrate auf das Unfertige. The future is unwritten, und doch lässt sie sich in der Phantasie sehr konkret ausmalen.
Kristin Wenzels Arbeit spielt mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und trägt dadurch etwas Überzeitliches in sich. Die vertrauten Bilder sind als aufgerufene Erinnerungsräume grau, wie die Fotografien ihrer Kindheit. Die eingesetzten Referenzen in Form von Palme, katalanischer Orthographie, Beton und Neonlicht erhellen wechselseitig die Orte der Kindheit und die gegenwärtigen künstlerischen Lebensmittelpunkte.
Der schöne Schein aus Kasten und Fenster- je nach Perspektive- weckt sehnsuchtsvolle Begehrlichkeit, die temporal in die Zukunft verweist.
Eine Sehnsucht, die, wie eingangs angedacht, auf den Raum abfärbt. Denn steht der Betrachter vor der Installation und blickt in das Fenster, fällt sein Blick im nächsten Moment auf das Pflaster und:
“Sous les pavés, la plage.”
Markus Wiegandt
ist wissenschaftlicher Assistent im Bereich Neuere deutsche Literatur am Institut für Germanistik der Universität Leipzig.
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